Agiler durch Hyperautomation

„Hyperautomation ist mehr als die Summe von Digitalisierungsschritten“

von - 23.06.2022
„Wir optimieren doch bereits Geschäftsprozesse“, so die Einschätzung vieler Unternehmen, wenn die Rede auf das Thema Hyperautomation kommt. Doch der Fokus auf einzelnen Schritten und Technologien bringt oftmals nicht die erhofften Vorteile, etwa eine höhere Agilität und eine optimierte Kundenansprache, argumentiert Michael Baldauf. Er ist Industry Architect Financial Service EMEA beim Automatisierungsspezialisten Pegasystems.
com! professional: Herr Baldauf. Was Automatisierung ist, wissen wir alle. Aber was ist Hyperautomation?
Michael Baldauf
Industry Architect Financial Service EMEA, Pegasystems
(Quelle: Pegasystems )
Michael Baldauf:
Der Begriff steht für durchgängig digitalisierte Prozessketten durch intelligente Automatisierung. Erreicht wird das durch das Zusammenspiel verschiedener Digitalisierungs-Tools.
com! professional: Was für Tools sind das? Gartner führt in seiner Definition von Hyperautomation beispielsweise Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation (RPA) und einiges Weitere an.
Baldauf: Wir nutzen dafür Methoden wie Business Process Management (BPM), RPA, Case-Management und Prozessintelligenz auf einer Low-Code-/Case-Management-Plattform. Durch den Einsatz von KI wird die Lernfähigkeit und dadurch die ständige Selbstoptimierung des Systems gewährleistet.
com! professional: Welche Vorteile bringt Hyperautomation dem Anwender?
Baldauf: Digitalisierungsinitiativen und entsprechende Maßnahmen waren bislang meist auf einzelne Prozessschritte begrenzt, etwa die Optimierung von Kundenschnittstellen oder die Nutzung von RPA für Eingaben in Legacy-Systemen. Dieses „Flickwerk“ weicht bei der Hyperautomation einem durchstrukturierten Prozess. Wichtig ist dabei neben der Optimierung der kompletten Prozesskette auch die Fähigkeit zur laufenden Anpassung und Veränderung. Deshalb sind die Hyperautomation-Tools kontinuierlich lernfähig. Neben KI spielt dabei auch der Low-Code-/Case-Plattform-Ansatz eine wichtige Rolle.
„Prozessoptimierungen mit nur einer Technologie (…) führen nur zu geringen Ergebnisverbesserungen.“
com! professional: Welche Vorteile bringen diese Technologien?
Baldauf: Nutzer können Änderungen ohne großen Programmieraufwand vornehmen. Das minimiert die Kosten und die Risiken für neue Produkte und Prozesse. Außerdem lässt sich auf diese Weise Time-to-Market reduzieren.
com! professional: Wie bewerten Sie das Potenzial und die Akzeptanz von Hyperautomation? Manche Kritiker sehen darin nur ein weiteres Hype-Thema.
Baldauf: Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren bereits Erfahrungen mit der punktuellen Digitalisierung von Prozessen gemacht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Prozessoptimierungen mit nur einer Technologie, also etwa RPA ohne KI, BPM ohne Low-Code, Natural Language Processing ohne Case-Tools, nur zu geringen Ergebnisverbesserungen führen. Sie haben die Lehren daraus gezogen und sind daher offen für das Konzept einer integralen Plattform, die bereits alle nötigen Digitalisierungs-Tools beinhaltet und bestehende Lösungen leicht anbinden kann.
Hinzu kommt, dass der Anwendungsdruck wächst. Ein Grund dafür ist, dass sich die Anforderungen durch gesetzliche Regelungen wie Compliance-Vorgaben, das Geldwäschegesetz oder ESG-Bestimmungen (Environmental, Social, Governance) permanent verschärfen. Gleichzeitig stellen Kunden immer höhere Anforderungen an die Präzision und die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen mit ihnen kommunizieren und interagieren. Dafür ist Hyperautomatisierung der richtige Ansatz.
com! professional: Worauf sollten Anwender achten, die Hyperautomation einführen wollen?
Baldauf: Dass Hyperautomation mehr ist als die Summe von einzelnen Digitalisierungsschritten. Denn die Aufgabe besteht nicht darin, mit den Instrumenten der Hyperautomatisierung vorhandene Prozesse zu optimieren, sondern vielmehr Abläufe komplett neu zu denken. Dabei helfen Methoden wie Design Thinking. Am Anfang muss die Bereitschaft stehen, Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und sich dabei auf neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens oder auch mit Kunden und Dienstleistern einzulassen. Wer von vorneherein glaubt, seine Prozesse bereits zu kennen, verschenkt viel Potenzial bei der Hyperautomation.
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