Sicherheit

Leistungsschutzrecht: Gefahr für die Netzgesellschaft?

von - 18.06.2012
Leistungsschutzrecht: Gefahr für die Netzgesellschaft?
Der vom Justizministerium vorgelegte Entwurf zum Leistungsschutzrecht soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Von allen Seiten hagelt es vernichtende Kritik. Auch die Opposition ist geschlossen dagegen.
Das Bundesjustizministerium hat vergangene Woche den seit 2009 geplanten Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht veröffentlicht und kommt damit den Forderungen der Verlegerverbände nach. Mit der Einführung eines Leistungsschutzrechtes will die Regierung dem „neu entstandenen Schutzbedürfnis der Presseverlage Rechnung tragen“.
Im Kern geht es bei der Änderung des Urheberrechts darum, den Verlagen die Rechte an von ihnen veröffentlichten Texten und Inhalten für deren Vermarktung zu überlassen. Dabei bedürfen selbst kleinste Textbausteine künftig einer Erlaubnis (Lizenz) und müssen vergütet werden. Die Begründung basiert auf der BGH-Entscheidung „Metall-auf-Metall“ (Az. I ZR 112/06), die zum Leistungsschutzrecht der Tonträgerhersteller ergangen ist. Schon für kleine Tonfetzen muss dem Gesetz nach eine Lizenz eingeholt werden. Ansonsten drohen wegen Rechtsbruch empfindliche Strafen. Die einzige Ausnahme betrifft die reine Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit. Aber auch hier sind künftig nur noch Links kostenlos, die nicht den Titel des Textes beinhalten.
Die Verlegerverbände BDZV und VDZ sehen in dem Gesetzesentwurf den notwendigen Schutz der gemeinsamen Leistung der Herausgeber von Presseerzeugnissen und Journalisten. Allerdings erfülle er nicht alle Erwartungen. Während die Verleger bemüht sind, den Ball flach zu halten, formiert sich massiver Widerstand von allen Seiten. Gegner des Referentenentwurfs sehen darin vor allem eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen. Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger bleibt in ihrem gesamten Entwurf unkonkret und setzt den Verlagen keinerlei Grenzen in der Handhabung. Zudem verzichtet die Justizministerin auf Forderung der FDP-Bundestagsfraktion auf eine Kopplung an eine Verwertungsgesellschaft.
Für den Anwalt Till Kreutzer vom Portal iRights.info führt das Gesetz zu massiver Rechtsunsicherheit und damit zu unzähligen Prozessen. Es würde „sich bei jedem einzelnen Fall um eine „gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung“ gemäß Paragraf 108a UrhG handeln, die — wenn sie bewusst und vorsätzlich geschieht — mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden kann.“ Betroffen sind damit nicht nur Plattformen wie Google, die durch das Einstellen von Anrissen (Snippets) und Verlinkungen zur Kasse gebeten werden sollen. Auch die gesamte deutsche Wirtschaft, alle Freiberufler oder sonstige Berufstätige unterliegen dem Gesetz, wenn sie in Diskussionsforen, Online-Pressespiegeln, Blogs, Twitter-Nachrichten oder Facebook-Posts Elemente eines Textes verwenden. Das betrifft allerdings nur Personen, die ihr Blog gewerblich nutzen. Eine gewerbliche Nutzung ist allerdings schon dann gegeben, wenn Werbebanner auf den Seiten eingebaut sind oder Micro-Bezahldienste wie Flattr genutzt werden.
Nach Auffassung des Vereins Digitale Gesellschaft erhalten Verleger damit ein Werkzeug, mit dem sie Internetnutzer fast beliebig unter Druck setzen können. Keinerlei Inhalte dürften mehr ohne Verwaltungsaufwand, Kosten und gegebenenfalls Rechtsbeistand verwendet werden.
Auch von der Opposition hagelt es vernichtende Kritik. In einer Pressemitteilung bezeichnet die SPD das Vorhaben als unsinniges und unausgegorenes Stückwerk, das fatale Folgen für die Wissensgesellschaft haben könnte. Die Linken kritisieren, dass selbst kleinste Wortfetzen damit abgabenpflichtig werden und Bloggern eine Abmahnwelle droht. Sie sehen darin eine eindeutige Klientelpolitik zugunsten der Medienkonzerne. Für die Grünen ist das Leistungsschutzrecht der längste Schnellschuss aller Zeiten. Die Regierung setze damit ihre Lobbyarbeit fort und verteile verfrühte Wahlkampfgeschenke an die Verlage. Für die Piratenpartei ist das geplante Gesetz eine inakzeptable Bevorteilung und damit eine Gefahr für die „freie Bloggerszene“. Sie fordern, das Leistungsschutzrecht zu stoppen.
In der Fragestunde des Bundestags bekräftigte der Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP), dass der Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht noch vor der Sommerpause durchgewunken werden soll. Weitere urheberrechtliche Neuregelungen sollen folgen.
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