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Filesharing-Urteil: Steilvorlage für Abmahnanwälte

von - 17.08.2012
Filesharing-Urteil: Steilvorlage für Abmahnanwälte
Mit einem Urteil des BGH zur Provider-Auskunftspflicht in Filesharing-Fällen auch ohne gewerbliches Ausmaß stößt das Gericht auf breiten Widerstand. Viele sehen darin eine Beschäftigungsgarantie für Abmahnanwälte.
In den letzten Jahren boomt eine regelrechte Abmahnindustrie. Abgemahnt werden vor allem Nutzer von Tauschbörsen. Sie werden zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen gezwungen. Bei unerlaubten Uploads kann bereits ein einziges urheberrechtlich geschütztes Werk zu einem Streitwert von bis zu 10.000 Euro führen. Hier geben die Richter so gut wie immer den finanziellen Interessen der Anwaltskanzleien nach, auch wenn es sich nur um Bagatellfälle handelt.
In Zukunft wird diese Abmahnpraxis wohl noch deutlich zunehmen. Der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof I ZB 80/11) die Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet erleichtert. Internet-Provider sind demnach dazu verpflichtet, die Namen und Anschriften derer herauszugeben, die im Internet illegal urheberrechtlich geschützte Musiktitel getauscht haben. Bisher musste dazu ein "gewerbsmäßiges Ausmaß" nachgewiesen werden.
Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass der Rechteinhaber "faktisch schutzlos gestellt" wäre. Damit beziehen sie sich auf ein Gesetz vom September 2008 zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum, das auf der anderen Seite ausdrücklich einen gewerblichen Hintergrund als Voraussetzung für die Freigabe von Daten benennt. Das sahen zwei Kölner Instanzgerichte im Fall des Sängers Xavier Naidoo genauso. Dennoch gab das BGH nun in seinem Filesharing-Urteil dem Antrag eines Musikvertriebs statt, der die Rechte an Musiktiteln von Naidoo innehat.
Während der Bundesverband Musikindustrie das Urteil des BGH als "wichtiges Signal" begrüßte, hagelt es von anderen Seiten heftige Kritik. Beispielsweise sieht der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil, den Beschluss im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Der Rechtsausschuss des Parlaments habe nicht ohne Grund in seiner Begründung auf einen "unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil" abgestellt. Er fordert den Gesetzgeber nun zu einer eindeutigen Klarstellung auf, um weiterem Abmahnmissbrauch zu verhindern.
Bei Udo Vetter vom “Law”-Blog stößt die Entscheidung ebenfalls auf Unverständnis. Die Karlsruher Richten hätten sich damit "eindeutig gegen das Gesetz" gestellt und "Mini-Filesharer zum Abschuss freigeben". Sein Kollege Thomas Stadler sieht vor allem handwerkliche Mängel im Gesetz, da der Wille des Gesetzgeber nicht zweifelsfrei formuliert wurde.
Der eco-Vorstand Oliver Süme befürchtet nun eine erhebliche Steigerung der Auskunftsersuchen an die Provider. Schon jetzt müssten sie auf Gerichtsbeschluss jeden Monat über 300.000 Mal Daten zu IP-Adressen herausgeben.
Rechtsanwalt Christian Solmecke geht noch weiter. Seiner Ansicht nach verfügen die Vertreter der Musikindustrie "gewöhnlich über gute Umsätze, während mutmaßliche Filesharer schnell mit überzogenen Forderungen seitens der Musikindustrie konfrontiert werden. Zuweilen gibt es auch daran Zweifel, ob die Ermittlungssoftware wirklich zuverlässig arbeitet. Von daher können nach der Entscheidung des BGH mehr denn je auch Unschuldige schnell eine Filesharing Abmahnung erhalten."
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