Kommt das Zweiklassen-Internet?
Pro und contra Netzneutralität
Interview mit Philipp Blank, Corporate Communications, Deutsche Telekom AG |
com! professional: Was spricht gegen eine generelle Gleichbehandlung von Datenpaketen? Philipp Blank: Das Internet ist bunt und vielfältig und bringt Dienste hervor, an die bis vor Kurzem noch niemand gedacht hat. Die strikte Gleichbehandlung von Datenpaketen könnte die Entwicklung von innovativen Diensten verhindern – und war übrigens auch nie vorgesehen. Neue Dienste haben häufig höhere Qualitätsanforderungen als das einfache Surfen oder die E-Mail, die auch ein paar Sekunden später ankommen kann. Eine Videokonferenz sollte beispielsweise auch zu Stoßzeiten im Netz nicht ins Stocken geraten. Deshalb muss die Möglichkeit bestehen bleiben, dass die Daten empfindlicher Dienste im Stau Vorfahrt bekommen.
com! professional: Kommt bald eine Art Internet-Maut, bei der man für die Nutzung der schnellen Datenautobahn extra bezahlen muss? Blank: Schon heute können Nutzer im Netz selbst entscheiden, wie viel Service sie wollen und was ihnen dieser Service wert ist: So kostet beispielsweise mehr Speicherplatz für Mails extra, genauso wie erweiterte Suchfunktionen bei Xing und LinkedIn oder Videos in HD statt SD. In Zukunft wird es eben auch die Möglichkeit geben, einen Dienst für ein paar Euro mehr in gesicherter Qualität zu buchen. Das ist keine Revolution im Netz, sondern die natürliche Weiterentwicklung.
com! professional: Welche Argumente der Befürworter der strikten Netzneutralität können Sie nachvollziehen? Blank: Das Internet hat als Informationsmedium zweifellos eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Es muss deshalb frei, offen und ohne Diskriminierung bleiben. Die Debatte muss sich also um grundsätzliche Spielregeln drehen. Ein staatlich diktiertes Einheitsnetz darf aber nicht dabei herauskommen. com! professional: Was wären sinnvolle Dienste und Anwendungen, die bevorzugt befördert werden sollten? Blank: Dafür kommen alle Dienste infrage, für die eine gesicherte Übertragungsqualität sinnvoll ist. Das Beispiel Videokonferenzen hatte ich schon genannt. Online-Games wären ein weiteres. Im Bereich der Telemedizin entstehen auch viele neue Dienste, für die das sinnvoll ist, beispielsweise um Daten aus dem Rettungswagen in die Klinik zu transportieren. Auch die automatisierte Verkehrssteuerung, die über das Internet Staus vermeidet, sowie vernetzte Produktionsprozesse der Industrie brauchen gesicherte Qualität. Nur so funktionieren diese Dienste unabhängig vom aktuellen Datenaufkommen im Netz.
com! professional: Wie sehen die Pläne der Telekom diesbezüglich aus? Blank: Wie die anderen Netzbetreiber wollen auch wir qualitätsgesicherte Dienste ermöglichen. Das Argument, kleine Anbieter könnten sich das nicht leisten, stimmt nicht: Nach unseren Vorstellungen wäre eine Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent möglich. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Netzinfrastruktur, auf der Internetdienste beruhen. Denn die Netzbetreiber stehen vor dem Dilemma, dass sie Milliarden in die Infrastruktur investieren sollen, ihre Umsätze aber schrumpfen – vor allem weil die Regulierung bisher ihren Schwerpunkt auf günstige Preise gesetzt hat.
com! professional: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der FCC, die die Netzneutralität in den USA weitgehend zementiert hat? Blank: Wenn man sich die FCC-Entscheidung im Detail durchliest, ermöglicht sie durchaus auch Dienste mit gesicherter Qualität. Das bedeutet, dass die Behörde der Entwicklung von neuen Diensten keine Steine in den Weg legt. Allerdings bekommt die FCC jetzt erstmals die Möglichkeit, Breitbanddienste zu regulieren. Das können die europäischen Regulierer schon länger und greifen seit Jahren massiv in den Markt ein. Wie sich das auf die Investitionen der Unternehmen auswirkt, bleibt abzuwarten. |