Software-defined Mainframe im Container

So soll der Großrechner überflüssig werden

von - 27.01.2017
Mainframe
Foto: Fotolia / Alexandr_Mitiuc
LzLabs überträgt COBOL- und PL/1-Programme ohne Rekompilierung auf x86-Umgebungen beziehungsweise Cloud-Plattformen. Damit wandert der Mainframe in die Cloud.
Wer glaubt, die große Zeit der Mainframes sei längst vorbei, der irrt. Laut dem US-Unternehmen Vanguard Integrity Professionals, das unter anderem Security-Audits für verschiedene Plattformen anbietet, liegen immer noch 70 Prozent aller Geschäftsdaten auf Großrechnern. Und bei 71 Prozent der Unternehmen auf der Fortune-500-Liste läuft Vanguard zufolge das Kerngeschäft nach wie vor über Applikationen auf
z/OS-Systemen.
Großrechnern
Quelle: Vanguard Integrity Professionals
Ein Trend weg vom Mainframe sei nicht zu erkennen, sagt John Abbott, Infrastructure Analyst bei 451 Research: „Großrechner gibt es seit 50 Jahren – und es wird sie auch in 20 Jahren noch geben.“
Nach Ansicht von Andreas Thomasch, Mainframe-Leader bei IBM, hat die nach wie vor bestehende Beliebtheit des Großrechners gute Gründe: „Mainframes sind unerreicht in den wesentlichen IT-Betriebskriterien Sicherheit, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der Plattform.“ Dieses Bekenntnis zum Großrechner ist verständlich, schließlich ist IBM unumstrittener Marktführer im Mainframe-Geschäft. Mit dieser Ansicht ist IBM aber nicht allein. Auch andere Unternehmen sehen das so – etwa der Software-Anbieter BMC, der unter anderem Managementlösungen für Mainframes vertreibt: „Moderne Großrechner können bis zu 2,5 Milliarden Transaktionen am Tag verarbeiten, rund um die Uhr. Auch die heutigen Forderungen nach zentralisierten, virtualisierten und hochgradig automatisierten Umgebungen erfüllt der Mainframe seit Jahren; dazu ist er stabil und ausgereift“, sagt Geschäftsführer Uwe Behley.
John Abbott
Infrastructure Analyst bei 451 Research
https://451research.com
Foto: 451 Research
„Großrechner gibt es seit 50 Jahren – und es wird sie auch in 20 Jahren noch geben.“
Andere Marktteilnehmer halten Großrechner dagegen vor allem für eines: riesige Geldvernichtungsmaschinen. Bis zu 90 Prozent der operativen Kosten könne man sparen, wenn man seine Mainframe-Plattform in Rente schickt, verspricht der IT-Dienstleister CGI. Etwas moderatere Zahlen nennt Hewlett Packard Enterprise. Das Unternehmen rechnet mit einer Reduktion der Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO) von 50 bis 70 Prozent. BMC-Chef Behley hält solche Zahlen für unbewiesen: „Wo ist etwa dargelegt, dass die Kosten eines Neusystems von bis zu 2,5 Millionen Euro einem adäquaten 4000-Mips-Rechner technisch gleichwertig sind?“

Alternativen zum Mainframe

Kosten sind nach Ansicht von John Abbott jedoch gar nicht der entscheidende Faktor, wenn Unternehmen sich für die Migration von Mainframes auf x86-Umgebungen oder in die Cloud entscheiden: „Es geht viel mehr um Flexibilität und um die Möglichkeit, schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können“, sagt der Analyst. Zudem werde es immer schwieriger, fachkundiges Personal für die Betreuung und Weiterentwicklung von Mainframe-Applikationen zu finden.
In den vergangenen Jahren gab es deshalb etliche Bestrebungen, die meist in COBOL oder PL/1 geschriebenen Großrechneranwendungen auf andere Systeme zu portieren. Schon lange bekannt sind Emulatoren, die Mainframe-Betriebssysteme in einer x86-Umgebung nachbilden. Laut IBM ist die Emulation aber nur für Trainings- und Wartungszwecke sinnvoll: „Für Mission Critical ist so etwas nicht geeignet“, sagt Thomasch. Eine weitere Möglichkeit ist das Mainframe-Rehosting, das heißt eine Portierung von Mainframe-Applikationen auf Linux-, Windows- oder Unix-Systeme. In der Regel ist dazu ein Rekompilieren der Anwendung nötig.
Weitere Ansätze sind das Mainframe-Outsourcing oder das Übersetzen des Quellcodes in einen x86-kompatiblen Dia­lekt beziehungsweise eine andere Programmiersprache. Viele Migrationsprojekte seien in der Vergangenheit allerdings misslungen, sagt Thilo Rockmann, Chairman und COO von LzLabs: „Meist sind sie daran gescheitert, dass die Applika­tion neu gebaut und im Kern verändert werden musste, denn dies erfordert eine tiefe Kenntnis der Applikation, allein um bestehende Funktionalitäten nachzubilden.“
Das Schweizer Start-up will deshalb ganz ohne Anpassung des Quellcodes auskommen. „Das Ziel ist, Applikationen die in COBOL oder PL/1 für einen z/OS-Mainframe geschrieben sind, in einer x86-Linux-Umgebung beziehungsweise auf einer Cloud-Plattform lauffähig zu machen, ohne sie neu kompilieren zu müssen“, erklärt Rockmann.
Das Unternehmen hat dazu ein Software-defined Mainframe (SDM) genanntes Container-System entwickelt. Mit seiner Hilfe lassen sich Anwendungen vom Großrechner auf Intel-basierte Server übertragen. Selbst auf Geräten mit ARM-Prozessoren wie dem Rasp­berry PI ist das System lauffähig – allerdings wird die Plattform derzeit nur zu Testzwecken genutzt und nicht offiziell unterstützt. Als Betriebssystem kommt Red Hat Enterprise Linux (RHEL) zum Einsatz.
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