Neue IT-Berufe durch digitale Transformation

Transformation bedeutet Störung mit Potential

von - 29.12.2014
Deconstruction for reconstruction, das bedeutet: Ohne Störung kann eine Transformation nicht ablaufen. Es reicht nicht aus, ein Produkt einfach in eine digitale Form zu gießen. Digital muss gelebt werden, um das – aus gegenwärtiger Sicht unerschöpfliche – Potenzial zu nutzen.
Stanton A. Sugarman, seit September 2012 Chief Digital Officer bei Gruner +Jahr, zuvor Managing Director und Executive Vice President im Unternehmen.
Stanton A. Sugarman, seit September 2012 Chief Digital Officer bei Gruner +Jahr, zuvor Managing Director und Executive Vice President im Unternehmen.
(Quelle: Gruner +Jahr )
Natürlich lassen sich analoge Prozesse einfach eins zu eins in digitale umsetzen. Natürlich kann man eine Umlaufmappe virtuell abbilden und statt dieser eine E-Mail mit Anhang von Person zu Person weiterleiten und jedes Mal die Kenntnisnahme bestätigen lassen. Natürlich können Reiseveranstalter ihre gedruckten Kataloge im Turnus von drei Monaten herstellen und verteilen. Effektiv, sinnvoll oder gar innovativ ist all das aber nicht.
Es stimmt. Analoge Prozesse haben sich über viele Jahre hinweg eta­bliert. Die Mitarbeiter haben sich an die Umlaufmappe gewöhnt, die Kunden haben sich gern den fertigen Katalog abgeholt und in Reisefantasien geschwelgt. Die analoge Ära war aber auch in ein enges Korsett gezwungen.
Dieses Korsett existiert nicht mehr, es gibt folglich keinen Grund, es bei der digitalen Transformation tragen zu wollen. Daher sollte der Kern der analogen Prozesse möglicherweise sogar gespalten werden, um die Energie freizusetzen und in neue Bahnen zu lenken. Auch wenn das wie in der Kernphysik nach hinten losgehen und es zu nicht kontrollierbaren Kettenreaktionen kommen kann. CDOs müssen von Forscherdrang getrieben sein und Risiken wagen.

Kreativität beim Zerlegen der Prozesse

Ein hervorragendes Beispiel ist Paypal. Während der Anfänge von Amazon und Ebay zahlten die Kunden noch per Lastschrift, per Kreditkarte, auf Rechnung oder per Vorkasse. Schnell stellten sich aber negative Erfahrungen mit unbezahlten Rechnungen, nicht versandter Ware oder zu hoch belasteten Kreditkarten ein. Schuld an der Misere waren auch die Kreditkartenunternehmen und die Banken, weil sie keine an die Gegebenheiten des Internets angepassten Zahlungsmethoden hervorbrachten. Online kann man eben keine Plastikkarte vorlegen, die man in ein Lese-Terminal steckt. Und stattdessen nur die aufgedruckten Zahlen abzufragen, öffnet Abzockern Tür und Tor. Die nachträglich eingeführten Verifizierungscodes sind dabei nicht einmal eine Notlösung.
Paypal dachte sich damals eine ganz neue Lösung aus. So übernimmt der Dienstleister die treuhänderische Verwaltung von Zahlungen und setzt sich zwischen den Kunden und den Händler. Der Kunde kann bequem und mit einem Mausklick zahlen, Paypal zieht den Betrag vom Konto ein und reicht ihn an den Händler weiter. Dabei werden keine sensiblen Kreditkarten- oder Kontodaten übermittelt. Das Tochterunternehmen von Ebay hat die Kaufabwicklung also zerlegt, neu zusammengesetzt und digitalisiert.
Paypal ist damit zu einem der wichtigsten Finanzunternehmen der Welt geworden. Nicht, weil es etablierte Standards einfach im Internet umgesetzt hat, sondern weil es ganz neue Wege gesucht und eingeführt hat – und sie gegangen ist.
Beim Zerlegen der Prozesse muss der Chef fürs Digitale Kreativität beweisen. Wenn möglich findet er Schnittstellen zu anderen Geschäftsprozessen und kann sie im Idealfall kombinieren.
Paypal hat etwa nicht nur den Zahlungsvorgang selbst revolutioniert. Eine sehr ähnliche Lösung bietet Clickandbuy nämlich auch. Paypal hat auch einen Käuferschutz eingeführt, der es Kunden erleichtert, ihr Geld zurückzubekommen, falls der Händler nicht liefert. Kommt die Ware nicht an, fordert der Kunde einfach bei Paypal sein Geld zurück.
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