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Von Künstlicher zu Krimineller Intelligenz

von - 01.01.2016
VW und KI - von Künstlicher zu Krimineller Intelligenz
Foto: Mathias Vietmeier
Software wird immer cleverer – das zeigt der Fall VW im Guten wie im Bösen. Ein Kommentar von Hartmut Wiehr, dem Tech-Nodes-Kolumnisten von com! professional.
Über lange Jahre wurde uns erzählt, dass es neben der natürlichen auch eine künstliche Intelligenz gibt. Diese KI sei uns Menschen überlegen. Sie könne zum Beispiel selbstständig entscheiden, wann eine Handlung opportun sei und wann nicht. In der IT gibt es inzwischen eine wahre Flut von „software-definierten“ Technologien, die Hardware-Komponenten steuern können.
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor
Hartmut Wiehr, IT-Fachjournalist und Buchautor mit Wohnsitz in Italien
Inzwischen wissen wir auch, dass ein Stück Software maßgeblich die Umsatzzahlen eines Unternehmens mitbestimmen kann. Der Volkswagenkonzern hat eingestanden, durch eine softwarebedingte Manipulation die Abgaswerte bei seinen Dieselfahrzeugen immer dann geschönt zu haben, wenn diese beim TÜV und ähnlichen Institutionen vorfahren mussten. Nur so bekamen sie die ersehnte Plakette, während sie vor und nach dem Test mit eigentlich verbotenen Werten herumfuhren – und fahren.

Manipulation per Software

Ein kleiner, softwaregetriebener Mechanismus hatte es möglich gemacht: Das Programm erkennt souverän, wann sich ein Auto in einer Testsituation befindet, und drosselt „künstlich“ einen Moment lang den Abgasausstoß. Wenn die Autos dann im wirklichen Leben auf der Straße fahren, halten sie die strengen staatlichen Grenzwerte nicht mehr ein. Und das nicht nur gelegentlich, sondern dauerhaft. Millionenfach.
Dieser Vorfall ist keine Überraschung, sondern Konsequenz einer Entwicklung, bei der Software immer mehr die Herrschaft über unsere Daten und unsere Maschinen eingeräumt wird. Software wird ja auch für das Beobachten und Ausspähen in öffentlichen Räumen verwendet, und die so ermittelten Daten taugen für vielerlei Personenprofile. Wer mit einem Flugzeug unterwegs ist, wird ebenfalls gescannt, und das gleich mehrfach. Und niemand weiß so recht, was die dabei eingesetzten Software-Devices alles mit diesen Big Data anstellen.

Schaden für die Allgemeinheit

Man darf davon ausgehen, dass die nächsten Wellen der Digitalisierung und des Internets der Dinge die staatliche und private Datensammelwut weiter anheizen werden. Der Fall Volkswagen ist insofern von besonderem Interesse, als er uns die Verquickung von normalen Geschäftsinteressen mit kleinen manipulativen Softwarehelfern in exemplarischer Weise vor Augen führt. Dazu gehören auch die Vertuschungsversuche und Schuldzuweisungen an einzelne, untergeordnete Mitarbeiter.
Den Schaden haben darüber hinaus weniger die Autobesitzer (die sich über TÜV-Plaketten freuen), sondern die Allgemeinheit: Betroffen von der millionenfachen Überschreitung der Diesel-Abgaswerte ist die gesamte Bevölkerung in jenen Ländern, in denen es zu den Manipulationen kam – jahrelange Luftverschmutzung, verursacht durch ein deutsches Vorzeigeunternehmen.
Was man aus dem Skandal lernen könnte: So positiv der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und software-definierten Methoden alles in allem sein mag, auch hier gilt die Maxime „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Und diese Kontrolle darf man nicht allein der Software und den Maschinen überlassen – obwohl die von sich aus wahrscheinlich nicht auf die Idee kämen, zu manipulieren. Dazu braucht man immer noch uns Menschen.
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