Die Blockchain als Business-Treiber

Schwachstellen und Risiken der Blockchain

von - 07.10.2016
Bei allem erwiesenen Potenzial weist die Blockchain-Technologie immer noch Kinderkrankheiten auf. Und sie bringt neuartige Risiken ins Spiel. In Deutschland beobachtet deshalb die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Fintech-Innovationen rund um die Blockchain mit höchster Aufmerksamkeit. Dazu BaFin-Präsident Felix Hufeld: „Die Aufsicht muss bei der Zulassung von Innovationen immer auch Aspekte wie beispielsweise den Verbraucherschutz und die Geldwäschevorschriften berücksichtigen.“
Digitales Geld abheben: Iliana Oris Valiente, Mitgründerin von Rubix, dem Blockchain-Solutions-Zweig der IT-Beratung Deloitte, übergibt einen Bitcoin-Bankautomaten der Öffentlichkeit.
(Quelle: Foto: Deloitte)
Richard Lumb, Group Chief Executive Financial Services bei der IT-Beratung Accenture, wiederum prognostiziert, dass sich die Unveränderlichkeit der Blockchain, die als Schutz vor Manipulationen gepriesen wird, „als ihr eigener schlimmster Feind erweisen“ könnte. Er glaubt, dass selbst Smart Contracts anfällig sind für menschliche Fehler und auch die ausgefeiltesten IT-Architekturen zu Ergebnissen führen können, deren Auswirkungen rückgängig gemacht werden müssten.
Darüber hinaus lässt sich seiner Meinung nach die Unveränderlichkeit der Blockchain ohnehin nicht mit geltendem Recht vereinbaren, etwa mit dem „Recht auf Vergessenwerden“, das heißt dem Recht der Verbraucher auf Privatsphäre und auf Selbstbestimmtheit, das EU-Bürgern zusteht.
Andere Experten, etwa die Forscher Ittay Eyal und Emin Gün Sirer von der Cornell University, warnen dagegen davor, zu sehr auf die Unveränderlichkeit der Blockchain zu ver­trauen. Sie haben schon vor Jahren bewiesen, dass Angreifer – zumindest theoretisch – mit sogenannten Selfish-Mining-Attacken die Rechenkraft eines Blockchain-Netzwerks übernehmen können, um anschließend Transaktionen rückgängig zu machen und andere Benutzer zu bestehlen.   
Auch ein technisches Problem ist noch ungelöst: Der Schwierigkeitsgrad der Blockchain-Berechnungen nimmt mit zunehmender Länge der Blockkette, also mit wachsender Anzahl erfolgter Transaktionen, stark zu. Dadurch sind mehr Rechenkraft und mehr Zeit für die Durchführung der Transaktion erforderlich und der Energiebedarf steigt. Zum Vergleich: Das Mining-Netzwerk hinter der digitalen Währung Bitcoin verarbeitet heute gerade einmal rund 225.000 Transaktionen pro Tag, und das zum Teil mit Verzögerungen von bis zu einer halben Stunde.
Richard Lumb
Group Chief Executive Financial
Services bei Accenture
www.accenture.com
Foto: Foto: Accenture
„Die Unveränderlichkeit der Blockchain könnte sich als ihr eigener schlimmster Feind erweisen.“
Analysten zufolge ließe sich das Problem der geringen Skalierbarkeit zwar durch ein zugangsbeschränktes System mit einer limitierten Anzahl von Knoten mildern. Dafür wäre allerdings eine zentrale Legitimationsstelle notwendig, die die Blockchain-Teilnehmer als vertrauenswürdig einstuft. Das aber würde in den Augen einiger Befürworter der Blockchain viele ihrer Vorteile zunichtemachen.
Besonders harsch geht Mike Hearn, einer der lange Zeit wichtigsten Bitcoin-Entwickler, mit den Unzulänglichkeiten der Blockchain-Technologie ins Gericht. Für ihn ist Bitcoin bereits gescheitert – und er glaubt auch, den Schuldigen zu kennen: „Was eine neue, dezentrale Form von Geld werden sollte, die ganz ohne systemrelevante Institute und ohne die Problematik des „too big to fail“ auskommen sollte, scheiterte, weil es an funktionierenden Sicherheitsmechanismen mangelt.“ Das Bitcoin-System werde von einer Handvoll Leute kontrolliert, bemängelt Hearn. Schlimmer noch, das Bitcoin-Netz sei am Rande des technischen Kollapses. „Die Mechanismen, die dieses Ergebnis hätten verhindern sollen, haben versagt. Daher gibt es keinen guten Grund mehr, zu glauben, dass das Bitcoin-System besser sein könnte als das bestehende Finanzsystem“, schlussfolgert Hearn.

Fazit zu Blockchain

In der Blockchain-Technik stecken noch ernst zu nehmende Risiken. Insider und Beobachter sind sich dennoch einig: Sollten die Anbieter der Distributed-Ledger-Plattformen tatsächlich die Ärmel hochkrempeln, um die konzeptionellen Schwachstellen der Blockchain zu beheben, wird sich die Technologie auf breiter Front durchsetzen und der gesamten Wirtschaft eine erfrischende Brise Effizienz in die Segel blasen und zahlreiche Branchen verwandeln. Viele etablierte Geschäftsmodelle stehen vor einer Generalüberholung. Die Pioniere der Fintech- und Insurtech-Branchen haben es vorgemacht: Durch die Blockchain können Unternehmen ihre Kostenstruktur völlig neu definieren und Kundennähe ganz neu entdecken.
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