Chatbot-Frameworks

Baukästen für virtuelle Assistenten

von - 08.06.2017
Chatbot-Frameworks
Foto: Zapp2Photo / shutterstock.com
Bereits 2021 sollen mit digitalen Assistenten knapp 16 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Dank Chatbot-Frameworks sind die kleinen Helfer schnell und kostengünstig erstellt.
Über 100.000 Chatbots gibt es aktuell allein für den Facebook Messenger. „Im September 2016 waren es noch 33.000, das ist verrückt!“, sagte David Marcus, Vice President of Messaging Products, auf der Facebook-Konferenz F8 2017 im April dieses Jahres. Die Zahl der auf der Messenger-Plattform registrierten Entwickler hat sich laut Marcus im selben Zeitraum mehr als verdoppelt und beläuft sich nun auf ebenfalls 100.000.
In vier Schritten zum Chatbot
Was Sie bei der Entwicklung eines Bots beachten sollten:
  • Definieren Sie klare Ziele: Was genau bezweckt der Chatbot? Soll er verkaufen, beraten, unterhalten, empfehlen, Bestellungen oder Beschwerden bearbeiten?
    Soll er Kosten sparen oder neue Umsätze generieren?
  • Definieren Sie die Zielgruppe: Um den Bot nicht an den Nutzern vorbei zu entwickeln, ist es wichtig, eine klare Vorstellung davon zu haben, welche Anforderungen und Vorlieben die Zielgruppe hat.
  • Definieren Sie Alleinstellungsmerkmale: Was kann
    ein Bot besser als eine Webseite, eine App, ein Newsletter oder ein Service-Mitarbeiter?
  • Lassen Sie den Bot die richtige Sprache sprechen:
    Analysieren Sie Ihre Kernbotschaften auf deren sprach­liche Umsetzung, indem Sie Ihre bisherige Interaktion mit Kunden per E-Mail, Facebook, Whatsapp oder Twitter auf sprachliche Charakteristika untersuchen und lassen Sie die Ergebnisse dieser Analyse in die Chatbot-Entwicklung einfließen.
Chatbots sind aber nicht nur im Facebook Messenger schwer im Kommen. Das Analystenhaus Crisp Research zählt sie zu den zehn Top-Technologietrends des Jahres 2017. „Digitale Assistenten und Bots werden in den kommenden Jahren massenmarkttauglich“, prognostiziert Senior Analyst & CEO Carlo Velten. Das Marktforschungsunternehmen Trac­tica, das sich auf Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Augmented Reality spezialisiert hat, sagt den Bots ebenfalls eine steile Karriere voraus. Der Umsatz, den Unternehmen mit Virtual Digital Assistants (VDAs) erwirtschaften, soll demnach bis zum Jahr 2021 auf knapp 16 Milliarden Dollar steigen und sich damit im Vergleich zu 2015 fast verzehnfachen. Rund 1,8 Milliarden private Endkunden und mehr als 840 Millionen professionelle Anwender werden dann nach Ansicht der Marktforscher VDAs nutzen.
In Deutschland kann sich laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom jeder Vierte vorstellen, Chatbots zu verwenden. Terminplanung, Reservierung und Kauf von Theater- und Kinokarten sowie die Recherche beim Online-Shopping waren die meistgenannten Nutzungsszenarien. „Die Einsatzmöglichkeiten von Chatbots sind enorm vielfältig und werden derzeit in unterschiedlichen Bereichen getestet“, sagt Timm Lutter, Bitkom-Bereichsleiter für Consumer Electronics und Digital Media.

Schneller entwickeln

Das bemerkenswerte Wachstum ist nicht zuletzt den Chatbot-Frameworks zu verdanken, die eine Entwicklung eigener virtueller Assistenten stark vereinfachen. „Frameworks bilden eine Zwischenschicht, welche aus den Anfragen der Nutzer Intentionen und Daten extrahiert, strukturiert und an die Bot-Applikation übergibt“, sagt Moritz Strube, Senior Analyst bei Crisp Research. Zusammen mit Alexander Franke hat er in Berlin das Start-up Botconnect.io gegründet, das die Integration von Sprach- und Chat-Assistenten in Business-Applikationen von Salesforce, Workday, Oracle und anderen vorantreiben will, um mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. An der Aufgabe, natürliche Sprache zu verstehen und adäquat zu reagieren, war die erste Generation von Bots gescheitert. Sie kam Anfang des Jahrtausends auf den Markt und sorgte eher für Spott und Häme als für Begeisterung unter den Nutzern. „Die Anwender mussten sich viel zu stark an die Kommunikationsvorgaben der Bots anpassen, das hat nicht funktioniert“, erinnert sich Strube.
Moritz Strube
Moritz Strube
Co-Founder und CTO von Botconnect.io und Senior Analyst bei Crisp Research
www.crisp-research.com
Foto: Heike Steinweg, www.heikesteinweg.de
„Die meisten Frameworks für die Bot-Entwicklung laufen (…) als Service in der Cloud.“
„Einen Bot zu bauen, der auf vordefinierte Fragen Standardantworten gibt, ist recht trivial“, sagt Roman Schacherl, Geschäftsführer des Microsoft-Partners softaware gmbh, der für seine Kunden Anwendungen, Apps und Data-Warehouse-Projekte entwickelt. „Schwierig wird es, wenn der Bot frei formulierte Fragen beantworten soll.“
Frameworks setzen maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz ein, um aus solchen Konversationen die zwei wesentlichen Aspekte herauszufiltern: „Was hat der Mensch gesagt?“ und „Was meint er damit?“ Die erste Frage beantworten sogenannte Speech-to-Text-Komponenten, die gesprochene Sprache verschriftlichen können. Die zweite Komponente analysiert dann diesen Text und extrahiert daraus die Absicht des Anwenders, um so die zweite Frage zu beantworten.
So wird beispielsweise aus der Aufforderung „Erinnere mich an meinen Zahnarzttermin morgen um 11 Uhr“ ein maschinenles­barer Text, der in etwa folgendermaßen aussehen könnte:
Intent: Reminder
Date: Tomorrow
Time: 11:00
Content: Zahnarzt
Eine der Herausforderungen liegt darin, die Absicht aus den verschiedensten Varianten dieser Aufforderung zu extrahieren, wie „Lass mich bloß meinen Zahnarzttermin morgen um 11 Uhr nicht vergessen!“ oder „Denk dran, dass ich morgen um 11 Uhr zum Zahnarzt muss.“ Auch ein schnell ge- beziehungsweise vertipptes Fragment wie „Morgen efl Uhr Zahnartz“ wird idealerweise noch verstanden.
Richtig nützlich wird ein solcher Assistent natürlich erst, wenn er die Anfrage nicht nur mit einem „Dein Termin ist eingetragen“ quittiert, sondern nachfragt und weitere Hilfe anbietet. Solche sogenannten Multi-turn-Konversationen steigern die Komplexität bei der Chatbot-Entwickung allerdings erheblich und werden auch nicht von allen Frameworks unterstützt. In unserem Beispiel könnte eine einfache Rückfrage lauten „Wann soll ich dich erinnern?“ oder „Wann willst du losfahren?“
Ein noch fortschrittlicherer digitaler Assistent kennt oder erfragt die Adresse des Zahnarztes, berechnet anhand der prognostizierten Verkehrslage die Fahrtzeit und legt die Erinnerungszeit entsprechend fest. Zukünftig handelt womöglich der Chatbot des Patienten direkt mit dem des Zahnarztes auf Basis der Kalendereinträge und hinterlegter Behandlungs- beziehungsweise Kontrollintervalle selbstständig die Termine aus – nur das Bohren selbst wird man wohl auch in Zukunft nicht den Bots überlassen können.
Frameworks helfen aber nicht nur beim Verständnis von Eingaben und der Definition von Konversationspfaden, sondern auch bei der Bereitstellung des fertigen Assistenten. „Die Anforderungen an einen Chatbot unterscheiden sich von Plattform zu Plattform, ihn manuell aus dem Nichts zu bauen, kostet extrem viel Zeit und ist teuer“, sagt Sergey Bludov, Senior Vice President Media & Entertainment bei DataArt, einem Beratungs- und Software-Haus, das Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung unterstützt. „Frameworks nehmen einem da sehr viel Aufwand ab.“
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