Chatbot-Frameworks
Baukästen für virtuelle Assistenten
von
Thomas
Hafen - 08.06.2017
Foto: Zapp2Photo / shutterstock.com
Bereits 2021 sollen mit digitalen Assistenten knapp 16 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Dank Chatbot-Frameworks sind die kleinen Helfer schnell und kostengünstig erstellt.
Über 100.000 Chatbots gibt es aktuell allein für den Facebook Messenger. „Im September 2016 waren es noch 33.000, das ist verrückt!“, sagte David Marcus, Vice President of Messaging Products, auf der Facebook-Konferenz F8 2017 im April dieses Jahres. Die Zahl der auf der Messenger-Plattform registrierten Entwickler hat sich laut Marcus im selben Zeitraum mehr als verdoppelt und beläuft sich nun auf ebenfalls 100.000.
In Deutschland kann sich laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom jeder Vierte vorstellen, Chatbots zu verwenden. Terminplanung, Reservierung und Kauf von Theater- und Kinokarten sowie die Recherche beim Online-Shopping waren die meistgenannten Nutzungsszenarien. „Die Einsatzmöglichkeiten von Chatbots sind enorm vielfältig und werden derzeit in unterschiedlichen Bereichen getestet“, sagt Timm Lutter, Bitkom-Bereichsleiter für Consumer Electronics und Digital Media.
Schneller entwickeln
Das bemerkenswerte Wachstum ist nicht zuletzt den Chatbot-Frameworks zu verdanken, die eine Entwicklung eigener virtueller Assistenten stark vereinfachen. „Frameworks bilden eine Zwischenschicht, welche aus den Anfragen der Nutzer Intentionen und Daten extrahiert, strukturiert und an die Bot-Applikation übergibt“, sagt Moritz Strube, Senior Analyst bei Crisp Research. Zusammen mit Alexander Franke hat er in Berlin das Start-up Botconnect.io gegründet, das die Integration von Sprach- und Chat-Assistenten in Business-Applikationen von Salesforce, Workday, Oracle und anderen vorantreiben will, um mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. An der Aufgabe, natürliche Sprache zu verstehen und adäquat zu reagieren, war die erste Generation von Bots gescheitert. Sie kam Anfang des Jahrtausends auf den Markt und sorgte eher für Spott und Häme als für Begeisterung unter den Nutzern. „Die Anwender mussten sich viel zu stark an die Kommunikationsvorgaben der Bots anpassen, das hat nicht funktioniert“, erinnert sich Strube.
Frameworks setzen maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz ein, um aus solchen Konversationen die zwei wesentlichen Aspekte herauszufiltern: „Was hat der Mensch gesagt?“ und „Was meint er damit?“ Die erste Frage beantworten sogenannte Speech-to-Text-Komponenten, die gesprochene Sprache verschriftlichen können. Die zweite Komponente analysiert dann diesen Text und extrahiert daraus die Absicht des Anwenders, um so die zweite Frage zu beantworten.
So wird beispielsweise aus der Aufforderung „Erinnere mich an meinen Zahnarzttermin morgen um 11 Uhr“ ein maschinenlesbarer Text, der in etwa folgendermaßen aussehen könnte:
Intent: Reminder
Date: Tomorrow
Time: 11:00
Content: Zahnarzt
Date: Tomorrow
Time: 11:00
Content: Zahnarzt
Eine der Herausforderungen liegt darin, die Absicht aus den verschiedensten Varianten dieser Aufforderung zu extrahieren, wie „Lass mich bloß meinen Zahnarzttermin morgen um 11 Uhr nicht vergessen!“ oder „Denk dran, dass ich morgen um 11 Uhr zum Zahnarzt muss.“ Auch ein schnell ge- beziehungsweise vertipptes Fragment wie „Morgen efl Uhr Zahnartz“ wird idealerweise noch verstanden.
Richtig nützlich wird ein solcher Assistent natürlich erst, wenn er die Anfrage nicht nur mit einem „Dein Termin ist eingetragen“ quittiert, sondern nachfragt und weitere Hilfe anbietet. Solche sogenannten Multi-turn-Konversationen steigern die Komplexität bei der Chatbot-Entwickung allerdings erheblich und werden auch nicht von allen Frameworks unterstützt. In unserem Beispiel könnte eine einfache Rückfrage lauten „Wann soll ich dich erinnern?“ oder „Wann willst du losfahren?“
Ein noch fortschrittlicherer digitaler Assistent kennt oder erfragt die Adresse des Zahnarztes, berechnet anhand der prognostizierten Verkehrslage die Fahrtzeit und legt die Erinnerungszeit entsprechend fest. Zukünftig handelt womöglich der Chatbot des Patienten direkt mit dem des Zahnarztes auf Basis der Kalendereinträge und hinterlegter Behandlungs- beziehungsweise Kontrollintervalle selbstständig die Termine aus – nur das Bohren selbst wird man wohl auch in Zukunft nicht den Bots überlassen können.
Frameworks helfen aber nicht nur beim Verständnis von Eingaben und der Definition von Konversationspfaden, sondern auch bei der Bereitstellung des fertigen Assistenten. „Die Anforderungen an einen Chatbot unterscheiden sich von Plattform zu Plattform, ihn manuell aus dem Nichts zu bauen, kostet extrem viel Zeit und ist teuer“, sagt Sergey Bludov, Senior Vice President Media & Entertainment bei DataArt, einem Beratungs- und Software-Haus, das Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung unterstützt. „Frameworks nehmen einem da sehr viel Aufwand ab.“