Nachbarschaft 4.0

TU Chemnitz erkundet Miteinander der Zukunft

von - 28.06.2016
Smartphone scannt Haus
Foto: Shutterstock.com/weedezign
Das Zuhause wird immer vernetzter. Damit die Technik aber nicht nur um ihrer selbst willen entwickelt wird, sondern den Menschen hilft, erkundet die TU Chemnitz derzeit, was im Alltag tatsächlich genutzt wird.
Balkonpflanzen, die per Smartphone-Nachricht "Gieß mich" fordern, oder ein Briefkasten, der während des Urlaubs der Nachbarn seinen Füllstand angibt: Mit dem Internet der Dinge rücken solche Szenarien in den Bereich des Möglichen. Damit die Technik aber nicht nur um ihrer selbst willen entwickelt wird, sondern den Menschen hilft, erkunden Wissenschaftler der TU Chemnitz derzeit, was im Alltag tatsächlich genutzt wird.
Dafür hat eine interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe aus zwei Designern, einem Ingenieurwissenschaftler, zwei Informatikern und einem Soziologen ein "Living Lab" (lebendiges Labor) mitten in der Chemnitzer Innenstadt eingerichtet. Seit Anfang Juni kamen die Wissenschaftler mit mehr als 100 Chemnitzern jeden Alters ins Gespräch, wie Projektleiter Arne Berger sagte. Es gab Gruppendiskussionen, Vorträge oder Workshops, bei denen auch Erwachsene mit Lego spielen durften.

"Was sind wirkliche lebensweltliche Probleme?"

"Ein zentraler Aspekt dabei ist das Thema Nachbarschaft", sagte der promovierte Designforscher. Ziel des fünf Jahre laufenden Projekts sei es herauszufinden, wie technische Entwicklungen helfen könnten, das Miteinander in Mietshäusern, Nachbarschaften und Städten zu fördern. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Vorhaben - das bisher einzige seiner Art in Sachsen - mit 2,5 Millionen Euro.
In dem Stadtlabor in unmittelbarer Nähe zum Rathaus sollen die Chemnitzer verraten, welche technischen Neuerungen sie im Alltag gebrauchen könnten - und welche nicht. "Was sind wirkliche lebensweltliche Probleme, bei denen wir mit Technik ansetzen können, wo sollten wir sie bewusst weglassen? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns", erklärte Berger.
Gerade in der Zusammenarbeit mit älteren Probanden zeigten sich deutlich die Vorbehalte, sagte Projektkoordinator Andreas Bischof. Zwar wollen viele so lang wie möglich in den eigenen vier Wänden leben, gern auch mittels technischer Hilfsmittel. "Eine Totalüberwachung wollen die Menschen aber nicht", sagte er. "Zudem ist es vielen wichtig, die verschiedenen technischen Möglichkeiten trotz aller Automatisierung noch selbst steuern zu können und damit die Kontrolle zu behalten." Auch Datenschutz sei ein Thema.

Smart Home zum Anfassen

So ist Rentnerin Brigitte Würz Kameras gegenüber skeptisch, wie sie den Forschern erzählte. Eine sensorgesteuerte automatische Bewässerungsanlage für Grünpflanzen hingegen fände sie toll. "Ich finde es gut, dass auch wir Älteren gefragt sind. Ich bin sehr interessiert an Technik, aber im Gegensatz zu den Jüngeren bin ich nicht hineingewachsen"", sagte die 67-jährige Chemnitzerin.
Um den Menschen die Technologie näher zu bringen, haben die Wissenschaftler unter anderem zwei Würfel entwickelt, die über Sensoren miteinander kommunizieren können. Legt man auf eines der Geräte eine warme Hand, leuchtet oder vibriert der zweite Würfel. "Auf diese Weise wird auch ohne technischen Hintergrund erfahrbar, wie diese Technik funktioniert", sagte Berger.
Gleiches Prinzip, anderes Werkzeug: Im "Living Lab" können Probanden wie Brigitte Würz mithilfe von Lego in das Internet der Dinge eintauchen. "Mit dem Lego-Haus haben wir ein Smart Home zum Anfassen", erklärte Projektmitarbeiter Kelvin Autenrieth. Anhand dessen diskutieren die Forscher mit den Teilnehmern, wie das Idealbild eines technikgestützten Wohnhauses aussehen könnte. Die aufgezeichneten Gespräche werden anschließend für den weiteren Forschungsprozess ausgewertet. Mit ersten vorzeigbaren Ergebnissen ist nach Angaben von Projektkoordinator Bischof im kommenden Jahr zu rechnen.
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