Online-Kioske nach dem iTunes-Prinzip

Das Erfolgsrezept von Blendle, Pocketstory und Readly

von - 27.06.2016
Kiosk
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Blendle, Pocketstory, Readly: drei Online-Kioske, die für die Verlagslandschaft eine ­Zäsur bedeuten. Sie zerlegen ihre Titel in Einzelteile und bieten Flatrates an.
Online-Dienste für Leseratten: "Du wirst unweigerlich an Dein eigenes Liebesleben denken. Fünf Menschen erzählen von ihrer Beziehung. Und ­warum sie es nicht schaffen, Schluss zu machen." Wer den Newsletter von ­Blendle kriegt, in dem dieser für seinen Online-Kiosk wirbt, muss sich erst einmal an die unverblümte Ansprache gewöhnen. Der Leser wird geduzt, komplizierte Sachverhalte vereinfacht, manchmal fehlt auch ein wenig das Fingerspitzengefühl. Vielleicht ist aber auch alles genau so gewollt. Denn Blendle, ein niederländisches Start-up, hat mit seinem Launch im Oktober 2015 in Deutschland so was wie eine Trendwende eingeläutet.

Vorliebe für längere, anspruchsvolle Artikel

Bislang haben Zeitungs- und Zeitschriftenverlage eisern versucht, ihr aus der Printwelt gewohntes Geschäftsmodell ins Digitale zu übertragen. Der Leser konnte wählen, ob er eine gedruckte oder eine ­digitale Ausgabe erwerben will: ganz oder gar nicht.
Blendle überträgt dagegen das Prinzip iTunes auf die Verlagswelt: Statt des ganzen Musikalbums werden hier die einzelnen Songs zum Kauf angeboten. Und Blendle verkauft nicht mehr das gesamte Presseerzeugnis, sondern einzelne Artikel. Die kosten den User zwischen 15 Cent und zwei Euro - je nach Länge - wobei 70 Prozent der Einnahmen bei den Verlagen verbleiben. Knapp 100 Titel sind auf der Plattform verfügbar, an der sich Axel Springer finanziell beteiligt hat und bei der Gruner + Jahr strategischer Partner ist.
Das Konzept hat seine Fans. Allerdings ist nicht wirklich ersichtlich, wie viele. Anfang des Jahres veröffentlichte Blende erstmals Nutzerzahlen. Danach gibt es in Deutschland und den Niederlanden zusammen 650.000 Accounts. Welche Umsätze damit ­erzielt werden, behält das Unternehmen aber für sich.
Geklickt werden offenbar vor allem längere, anspruchsvolle Beiträge. Das geht aus den Listen der meistverkauften Artikel hervor, die Blendle regelmäßig veröffentlicht. Die Manager bei "Zeit", "Geo", "Spiegel" oder dem "SZ Magazin" sehen das mit gemischten Gefühlen. Einerseits kaufen die, die nur einzelne Beiträge abrufen, keine ­ganze Ausgabe mehr. Andererseits hätten sie die Titel sonst vielleicht überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Blendle umwirbt diese Zielgruppe auch mit einer Geld-zurück-Garantie. Wer einen Artikel liest und hinterher findet, dass er sein Geld nicht wert war, bekommt es zurück.
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